Die Überschrift Prolegomena zur Metaphysik deutet keineswegs ein philosophisches Werk wie die Prolegomena... Kants an; sie kommt aus der, übrigens richtigen Auffassung des Verfassers her, dass die Metaphysik «ihren Anfang immer wieder zu Bewahrheiten hat», dass sie «nur ausgehen», «nur die Einleitung zu einem Buch darstellen kann, das nicht zu schreiben ist» (S. στ). Es handelt sich in der Tat um ein Werk, das im reinen Raum der Metaphysik sich entfaltet und in ihm ein metaphysisches Ganzes bildet. Ein begriffen sind im Werk auch die erforderlichen erkenntnistheoretischen u. dgl. Grundlagen, freilich nur im Umriss, aber gleichwohl treffend und überzeugend. Der philosophische Aufbau vollzieht sich —was schon in der Einleitung des Werkes betont wird — nicht durch Beweise sondern durch ((Vermutungen» (υποψίες) die «Vermutungen)) fussen entweder auf mathematischen, physikalischen, biologischen u. dgl. Indizien oder auf normaler Erfahrung oder auch auf mystischen Erlebnissen. Originalität zeichnet den philosophischen Gang aus, der dabei an manchen Punkten durch bewundernswerte eingehende Auseinandersetzungen mit Lehren anderer Philosophen oder Wissenschaftler zustandekommt. In der letzten Hinsicht bildet das Werk ein unermüdliches Gespräch des Verfassers mit den meisten grossen altgriechischen, mittelalterlichen, neueren und zeitgenössischen abendländischen Philosophen sowie mit grossen Wissenschaftlern, wie Einstein und andere Physiker, hauptsächlich Kosmologen, Rüssel und andere Theoretiker der Mathematik, u.s.w. Gegeben wird zunächst im Werke die Metaphysik der Naturwelt (Kap. B΄ – Στ΄). Von ihr ausgehend und sie fortsetzend, baut sich dann die Metaphysik des «universalen Geistes» (Kap. E - Z). Die Metaphysik Gottes als des «überuniversalen Geistes» und als der «Wahrheit aller Wahrheiten» (Kap. H - Θ) ergänzt die metaphysische Schau des Werkes. Logisches Verfahren waltet überall im Werke. Trotzdem ist das Werk ein mystisches. Die «Vermutungen», durch die sich seine logische Konstitution vollzogen hat, sind übrigens Werkzeuge, die lebendige, unmittelbar erlebte, in deren Tiefe΄kaum zu durchschauende Inhalte einfach heraufziehen und tragen; ich würde sie als Kinder der wunderbaren Ehe des hellen Verstandes und des «göttlichen Dunkels» bezeichnen. Im allgemeinen bildet das Werk eine dem Sinne nach traditionelle, aber der konkreten Behandlung des Themas nach neue Verkörperung der ruhmreichen, in Piaton wurzelnden Metaphysik, der metaphysica perennis, wie sie m. E. mit Recht zu nennen ist. Das Werk ist also von hohem Interesse im gegenwärtigen Zustand der Metaphysik und es verdient wohl eine Studie, die seinen Gehalt interpretativ darstellen sollte. Dabei sind im Werke Dogmatismen, Übertreibungen, Gedankensprünge, selten auch Unverträglichkeiten merklich. Solche Schwächen kennzeichnen mehr oder weniger alle metaphysischen Werke, sie berechtigen aber darum nicht weniger eine unvoreingenommene innere Kritik. Die vorliegende Studie stellt zunächst die wesentlichen Inhalte des Werkes nach deren systematischem Aufbau interpretativ dar. Und sie übt dabei eine innere Kritik an das Wek aus. Letzteres besagt: sie nimmt die Grundauffassungen des Werkes soweit wie möglich an und sie beurteilt den Zusammenhang derselben und den philosophischen Aufbau des ganzen Werkes nach Folgerichtigkeit und Standhaftigkeit. Indem sie so verfährt, ist sie unvoreingenommen: sie will nichts Eigenes einfügen, sondern sie bewahrt allen Ansichten des Verfassers gegenüber eine aporetische Haltung, im Sinne der aporetische n Lehre meines deutschen Lehrers Gottfried Martins (1901-1972); sie will im Rahmen einer allgemeinen Verständnis das philosophisch Legitime von dem philosophisch Unlegitimen auseinanderhalten. Das Werk ist ein philosophisches. Gleichwohl verlässt manchmal der Verfasser, sozusagen am Rande, die philosophische Strenge, und einigen speziellen, in der Regel sehr erhabenen Themen gegenüber drückt er sich in essayistischen Gedanken aus, fussend auf dem Neuen Testament und auf grossen mystischen Denkern und Dichtern, wie Eckhart, Angelus Silesius, Pascal, Blake, Novalis, Rilke, Simone Weil, Augustin, manchmal auch auf Theologen als Theologen. Die diesbezüglichen Seiten sind die schönsten des Werkes, aber sie gehören vielmehr dem freien als dem streng philosophischen Denken. Sie sind deshalb kaum in der vorliegenden, philosophisch inter- pretativen aporetischen Studie berücksichtigt worden. Gleichwohl lassen sie das ganze Werk auch von einem anderen Standpunkt aus betrachtet werden: nämlich als ein essayistischer persönlicher Versuch von ausserordentlichem geistigem Anreiz, als der einheitliche Versuch eines Menschen, der den ruhmreichen «Riesenkampf... über das Sein» (Piaton, Soph. 246a) auf sich genommen hat und auf eigene Gefahr mit allen Mitteln fortsetzt. In dieser Hinsicht verdient das Werk auch als ein einheitlicher persönlicher Essay intrepretativ studiert zu werden. Im allgemeinen handelt es sich um ein Werk von grosser Denkraft, integrem mystischem Erlebnis, fast universeller metaphysischer Überschau, und mit mächtigem, wenn auch an manchen Punkten strittig aufgebautem oder essayistisch vergessendem philosophischem Gedanken und mit einem logischen Verfahren von unglaublicher Flexibilität und grossem Reichtum an Erfindungen. Das Werk ist in ästhetischer Hinsicht für seinen Stil, seine Sprache und andere Tugenden der Rede vorbehaltlos zu loben. Es dehnt sich auf 340 Seiten aus. Die aporetische Studie ist einanderthalb grösser als der hier gedruckter Teil. Sie soll also in dem nächsten, ev. auch dem übernächsten Jahrbuch fortgesetzt werden. Es hätte keinen Sinn, in dem für die fremdsprachige Zusammenfassung verfügbaren engen Raum zu versuchen, den Inhalt der Studie, und sei es noch so kurz des näheren zu wiedergeben.